Zeitzeugin Irena Lipshic in Villa Eggenberg

          mit der neunten und elften Klasse 

 Das Leben der Zeitzeugin Irena (Rena) Lipshic ist besonders spannend, wenn man es von ihr persönlich erzählt bekommt, wie ein Film oder Roman. Das liegt nicht nur an den vielen Stationen ihres Lebens, das im Babyalter mit der Flucht vor der Shoa beginnt: mit Russen geflohen aus ihrem Geburtsort Krakau nach Sibirien, dann über Kasachstan, Usbekistan, nach dem Krieg zurück nach Krakau, dann nach Prag, von dort über Marseille nach Israel. Später kommt sie mit ihrem Mann, den sie bei der Armee in Israel kennenlernt, 1968 nach München. Es liegt auch an der sehr persönlichen und offenen Art, in der Irena Lipshic von ihrem Leben erzählt. Nach zwei Stunden haben wir von ihren Jugendjahren 1938 bis 1968 gehört und wir verabredeten uns zur Fortsetzung schriftlich:    

Was vermissen Sie am meisten, wenn Sie an Ihre Jugendzeit in Israel zurückdenken?

Die Musik fällt mir als erstes ein. Kürzlich habe ich am Feiertag der Unabhängigkeit Israels wieder Lieder gehört, die ich aus meiner Kindheit kannte, und dabei gespürt, dass das meine Heimat ist.  

An Israel liebe ich die Geschichte des Landes. Natürlich auch die Landschaft, es ist ja mein Land, meine Heimat. Durch die Lieder meiner Kindheit spüre ich diese Verbundenheit. 

Woran muss man denken, wenn man auf der Flucht ist?

Das ist nicht so leicht zu sagen, ich war ja  nur ein Jahr alt, als wir aus Polen nach Sibirien geflohen sind. Meine Mutter, mein Cousin, der mich zuletzt begleitet hat, und meine Tante haben für mich gesorgt. Die müsste man fragen, aber die leben ja nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich als Kind schon meinen Vater vermisste. Und später meine Mutter sehr. Aber davon habe ich Euch ja erzählt.  

Bereuen Sie, dass die gute Beziehung zu Ihrem Cousin Michael am Ende gelitten hat?

Vor allem habe ich es versäumt, mit meinem Cousin über die Einzelheiten unserer Kindheit zu sprechen. Dann wüsste ich es genauer und könnte mehr erzählen. Aber er wollte lieber nicht über unsere Kindheit reden. Er wollte in der Gegenwart leben, wollte der geschätzte und allseits beliebte Arzt sein, der er war, und nicht mehr dieser junge Mann mit seiner schweren Geschichte.

Gibt es Entscheidungen in Ihrem Leben, die Sie bereut haben?

Gerne hätte ich in meiner Jugend mehr Bildung gehabt, also zum Beispiel mein Studium beendet.

Könnten Sie sich vorstellen, Ihre Geschichte, die Sie uns erzählt haben, in einem Buch aufzuschreiben?

Das Könnte ich mir schon vorstellen. Das Problem ist nur, dass ich zu wenig genaue Erinnerungen an die frühe Kindheit habe und dass ich meinen Cousin, der älter war und alles genauer wusste, jetzt nicht mehr fragen kann.  

Was hat Sie am stärksten geprägt?

Zuerst waren es junge Leute, die uns ihre Freundschaft angeboten und aufgenommen haben. Natürlich war mein Cousin wichtig, der für mich wie ein großer Bruder war, mit dem ich viel über die wichtigen Fragen des Leben geredet habe. Da waren auch Menschen ganz verschiedener Herkunft, die mein Leben verändert haben. Es war ein Buddhist, der mich wieder zurück zu meiner jüdischen Tradition gebracht hat. In den letzten Jahren haben mich vor allem Begegnungen mit besonderen Menschen hier in Deutschland geprägt. Da gab es zum Beispiel einen Kreis von Personen, die sich zu den Fragen von Judentum und Christentum hier getroffen und besonders gut verstanden haben. Solche Freunde zu kennen, solche Verbundenheit, solche Kooperation und solcher Friede unter den Menschen, die mir nahe stehen, dafür empfinde ich eine große Dankbarkeit. 


Der Lebensweg der ersten Jahre nachgezeichnet von Schülern der 11. Klasse


Rena und Josef Lipshic nach ihrer Hochzeit in Israel
Rena und Josef Lipshic nach ihrer Hochzeit in Israel

Josef und Rena Lipshic in München
Josef und Rena Lipshic in München