In Wolfratshausen erinnert die Gaststätte „Glashütte“ in der Geltinger Straße 1 daran, dass es hier schon vor dem Ersten Weltkrieg eine gewerkschaftlich organisierte Arbeiterschaft gegeben hat, die z.B. im März 1903 in einer Glashütte im heutigen Stadtteil Nantwein zu einem Streik aufgerufen hat (Baumgartner/Grund: Die bayerische Revolution 1918/19 in Stadt & Land, 2019, S. 591).
Nach der Revolution am 7. 11. 1918 in München wird schon am nächsten Tag in Wolfratshausen ein Arbeiter- und Bauernrat gewählt. Am Rätekongress (am 13. Februar 1919) in der Landeshauptstadt nimmt ein Delegierter des Ortes teil. Als im Gefolge der Unruhen nach dem Mord an Kurt Eisner (am 21. Februar 1919) in München am 6. April 1919 die Räterepublik unter Ernst Toller proklamiert wird, erscheint zehn Tage später in Wolfratshausen ein Trupp von Spartakisten, welche mit Gewehren, Handgranaten und drei Maschinengewehren ausgerüstet, das Magistratsgebäude besetzten, so Ritter von Kahr an das Innenministerium (BG 605).
Eine Volksversammlung im Wolfratshauser Postbräu am 16. April 1919 spricht sich mehrheitlich gegen die inzwischen kommunistisch orientierte Räterepublik aus.
Eine zweite eigens einberufene Zusammenkunft der Arbeiterschaft im Haderbräu anerkennt dann jedoch die neue Münchner Räteregierung unter Eugen Leviné (Quirin Beer: Chronik der Stadt Wolfratshausen, 1986, S. 212). Während die Aktionen der Revolutionäre in Wolfratshausen bald darauf schon wieder auslaufen, fährt am 17. April 1919 ein Trupp schwer bewaffneter Kommunisten unter dem Kommando von Hans Kain, der rechten Hand des Vollzugsrates der Räterepublik Max Levien, nach Starnberg (Revolution in der Provinz, Starnberg im November 1918, hrsg. vom Museum Starnberger See, 2020, S. 30) und besetzt die Stadt. Aber die Lage ist für die Revolutionäre bereits aussichtlos.
Truppen der Weißen Garde marschierten nach einem kurzen Gefecht am Vormittag des 29. 4. in Starnberg ein
"Sie machten „standrechtlich“ 27 gefangene Revolutionäre nieder, darunter den fünften Sohn des Bruders meiner Großmutter", schreibt Pater Martin Haunol der (93) aus Regensburg (Brief vom 1. 6. 2003). Im genannten Buch des Museums (S. 144) finden wir ein Foto des ledigen Elektomonteurs Ludwig Sinhart, 17 Jahre alt, katholischer Religion, zu Starnberg auf der Staatsstraße an der Bahnunterführung von den Regierungstruppen erschossen (aus der Sterbeurkunde vom 22. 5. 1919, zit. nach MH: Die Sinharts, 2007, S. 123). Auf dem Hanfelder Friedhof ist das Grab erhalten, der Name auf dem Grabstein noch gut zu lesen. In Schäftlarn erscheinen erstmals am 22. 4. etwa dreißig Rote auf Lastwagen, umzingeln das Kloster und nehmen es unter Maschinengewehr-Feuer. Als dies nicht erwidert wird, betreten fünf Mann das Haus.
Der kluge Abt lässt eine Brotzeit auffahren.
Als die Spartakisten wieder abfahren, versprechen sie dem Abt, in München einen günstigen Bericht zu erstatten (Stöckl: Chronik der Gemeinde Schäftlarn, zit. nach BG 601). Mit dem drohenden Anmarsch der Regierungstruppen von Starnberg her wird das Kloster nun als Verteidigungsstellung interessant. Zehn Soldaten treffen noch am Abend des 29. April 1919 ein. Am Eingang erhalten sie Feuer aus dem Eckzimmer des Erdgeschosses. Friedrich Münchinger aus Württemberg fällt mit Kopfschuss (BG 601). "Uoffz. der Abteilung Haas, * 21. 12. 1898 in Kirchheim, gef. b. Spartakistenaufstand" steht auf seinem Grab vor der Kirche. Nach der Erstürmung des Klosters durch die nachrückende Hauptmacht werden neun Rote überwältigt, schwer misshandelt, nach Hohenschäftlarn abtransportiert … und am nächsten Morgen, dem 30. April, in einer Kiesgrube am Falkenweg ohne Verhör erschossen.
Die Gedenktafel am Zeller Friedhof
Dazu ergänzte kürzlich der Archivar der Gemeinde Schäftlarn: Die Spartakisten wurden kurz nach ihrer „Verscharrung“ am Hinrichtungsort an den Zeller Friedhof überführt und dort regulär bestattet. Bis in die 1930er Jahre befand sich dort eine Gedenktafel, die jedoch beseitigt wurde, wahrscheinlich von den Nationalsozialisten (Josef Darchinger: Email vom 02. 06. 2020). Nach einem Gemeinderatsbeschluss vom Frühjahr 2019, genau 100 Jahre nach den gewalttätigen Ereignissen, soll erneut eine Gedenktafel für die hingerichteten Spartakisten entstehen (ebd.).
In Wolfratshausen gibt am 2. Mai 1919 ein Offizier der Weißen Garde die Abdankung des Arbeiter- und Soldatenrates und die Einsetzung einer Militärdiktatur bekannt (Beer, 212). Dem jüdischen Kulturphilosophen Erich von Kahler (Wolfratshausen, Am Burgholz 2) war die Revolution widerwärtig, sowohl von der roten wie von der „weissen“ Seite. … Angesichts der Dummheit und Verlogenheit…, die jetzt hier ihre Triumphe feiert, war ich bei denen, welche jetzt zwischen Bajonetten abgeführt wurden (zit. nach Gerhard Lauer: Die verspätete Revolution, 1993, S. 208). Doch gewährte er dem Akteur Arthur Salz bei sich Wohnrecht, der den Revolutionär Eugen Leviné bis zu seiner Verhaftung vor den Freikorps versteckt halten konnte (ebd., 273).